Tarif
Der soziale Sektor steht mit seinen insgesamt über 2 Millionen Mitarbeiter/innen vor wichtigen Entscheidungen. Kosten- und Leistungsträger glauben, sich zunehmend an einem vermeintlichen Markt- und Wettbewerb orientieren zu müssen.
Nach wie vor werden die Dienstleistungen der Sozialen Arbeit überwiegend öffentlich finanziert, während die Nutzer (Kunden) auf die Leistungen der Sozialen Arbeit vielfach existentiell angewiesen sind.
Zu den Arbeitsfeldern der Sparte „Soziale Arbeit“ zählen u. a. der „Sozial- und Erziehungsdienst, die Heilpädagogik, die Sozialarbeit im Gesundheitswesen mit der Krankenhaussozialarbeit, die Bewährungshilfe, die Jugendgerichtshilfe, die Altenhilfe und die betriebliche Sozialarbeit“.
Um die nach wie vor wachsenden Aufgaben bei geringer werdenden öffentlichen Budgets anbieten zu können, wird – anders als bei einem regulären Wettbewerb – das Leistungsspektrum in Frage gestellt, und zugleich auf die Leistungsträger Druck mit dem Ziel ausgeübt, mit geringeren Kostenerstattungen auszukommen.
Es ist bedauerlich, dass insbesondere bei der freien Wohlfahrtspflege dem Druck der Kostenträger mit Kürzungen im Personalbereich gefolgt wird, um im „Wettbewerb“ einen möglichst großen Anteil an öffentlicher Finanzierung zu erhalten. Die Wohlfahrtspflege verkennt dabei nicht nur ihre ökonomische Bedeutung, sondern auch ihre Verantwortung gegenüber den Nutzern Sozialer Dienste.
In Folge dieser Politik lassen sich folgende Tendenzen beobachten:
So droht, dass der neue Tarif für den Sozial- und Erziehungsdienst im TVÖD und der TVL ihre Bedeutung als „Leitwährung“ für den Sozialen Bereich verlieren. Wohlfahrtsverbände, und andere verhandeln über Tarifvereinbarungen weit unterhalb des TVÖD.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse nehmen rasant zu, dies gilt insbesondere für geringfügige und/oder zeitlich befristete Beschäftigungsverhältnisse. Zugleich nehmen Arbeitsverdichtung und damit psychische Belastung enorm zu. Bereits heute gilt der Soziale Bereich als Beschäftigungsbereich mit höchsten Mobbingraten und der höchsten Zahl psychischer Erkrankungen.
Diese Personalentwicklung ist mit qualitativen Einschränkungen verbunden. Verstärkt lassen sich Tendenzen einer Aufspaltung der vormals ganzheitlichen sozialpädagogischen Tätigkeiten erkennen: Fallverantwortung; Diagnostik; methodische (pädagogische) Hilfestellung und Hilfeplanung beschreiben mittlerweile unterschiedliche Funktionsbereiche.
Ziel dieser „Differenzierungspolitik“ der Kostenträger ist eine Aufspaltung in mehr einfache und wenige höherwertige Tätigkeiten (wie z.B. Personalführung und Management). So soll auch der verstärkte Einsatz Ehrenamtlicher möglich werden (der in der konkreten Praxis jedoch ausbleibt).
Damit reduziert sich die notwendige Diskussion um Qualität und Nutzer-, Kundenorientierung auf Fragen der Optimierung der Ablauforganisation, auf Absicherung von formaler Trägerverantwortung und auf Controlling. Die eigentlich wesentlichen Faktoren der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, Nachhaltigkeit und werden vernachlässigt.
War die Soziale Arbeit lange Zeit schwerpunktmäßig ein Dienst am, für und mit dem Menschen, so scheint sich jetzt das Motto durchzusetzen: „Je näher am Menschen, desto einfacher die Tätigkeit“. Dass die Tätigkeiten am Menschen dann auch zukünftig noch geringer bezahlt werden, ist eine Folge dieser Entwicklung.
Aus Sicht des DBSH müssen aber Tätigkeiten innerhalb der „Kernbereiche der Sozialen Arbeit“ ausschließlich von Fachkräften der „Sozialen Arbeit“ ausgeübt werden.
Erfolgt hier keine nachhaltige Sicherung, drohen noch mehr Skandale in der Kinder- und Jugendhilfe, in Psychiatrie und Pflege, Kriminalität und die weitere Aufspaltung zwischen arm und reich werden zunehmen.
Notwendig ist es, eigene Qualitätsmerkmale gemeinsam mit Lehre und Praxis zu erarbeiten. Der DBSH wehrt sich entschieden gegen jeden Versuch der Politik, die notwendige Professionalität in den Kernbereichen der „Sozialen Arbeit“ aufzulösen.
Ein wichtiges Instrument der Beschäftigten bildet der Tarif. Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen einladen sich an diesem wichtigen Thema, das in den nächsten Jahren auf uns zukommt, zu beteiligen.
Autor: Michael Leinenbach - LV Saar