Der schmale Grat zwischen Armut und Gesundheit
14.11.2017
Im November führte der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. - Landesverband Saar - eine Fachveranstaltung mit dem Thema "Gesundheit ist „mehr wert“ als jeder Gewinn" durch. In den Vorträgen wurde über den Bezug von Armut und Gesundheit in Verbindung mit der Haltung der Profession der Sozialen Arbeit sowie der Berufsethik, gesprochen. Vorträge und Diskussionsrunden fanden in den Räumlichkeiten der HTW SoWi Campus Rastpfuhl statt.
Verschuldung, Armut und gesundheitliche Probleme liegen eng beieinander. Dies belegt auch der erste Armuts- und Reichtumsbericht, welcher im Jahr 2015 für das Saarland angefertigt wurde. Auf der Seite 281 wird folgendes Zitat erwähnt, welches aufhorchen lässt: "Wenn du arm bist, musst du früher sterben". Was zunächst banal klingt, ist traurige Realität geworden. In dem Vortrag gingen der Geschäftsführer der Saarländischen Armutskonferenz e.V. (SAK), Manfred Klasen, sowie der Vorsitzende, Wolfgang Edlinger, näher auf die aktuelle Lage im Saarland ein.
Nach der Veröffentlichung des Armuts- und Reichtumsberichtes erarbeitete die SAK einen eigenen Fragebogen, an dem sich 60 von Armut betroffene Personen beteiligten. Ein Großteil der Befragten gab an, unter starken gesundheitlichen Problemen zu leiden und aufgrund ihrer schier ausweglosen Situation an Selbstmord zu denken. Hierzulande sterben jährlich 15 betroffene Menschen, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt nur bei 55 Jahren, die Selbstmordrate ist überdurchschnittlich hoch.
Somit wird durch die Politik eine wichtige Forderung aus dem Rechtsanspruch des Artikels 12 des UN-Sozialpaktes nicht gewährleistet, welche jedem ein Recht auf Gesundheit zusichert. Der Artikel 12, Absatz 1 des UN-Sozialpaktes beschreibt als Ziel das Anstreben eines Höchstmaßes an körperlicher und geistiger Gesundheit. Problem ist das Gesundheitsstrukturgesetz, welches eine Privatisierung im Gesundheitswesen einleitete. Das Streben nach Profit und Gewinn spiegelt sich in der täglichen Arbeit innerhalb des Gesundheitswesens und seiner Akteure wieder. Die Nationale Armutskonferenz (nak) bezog in einem Positionspapier klar Stellung, dass es sich bei der Gesundheit um ein Menschenrecht handelt. Dieses Recht dürfe nicht an nicht vorhandenen finanziellen Mitteln scheitern. Durch etliche Gesetzesentwürfe geschehe dies durch den Gesetzgeber. Menschen am Existenzminimum könnten nicht mehr für das Nötigste sorgen. Die nak ist ein Bündnis von Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzen.
In dem Filmbeitrag "Leben trotz Armut"(https://www.youtube.com/watch?v=Wu4lpUvCM5U), welcher von der SAK in Eigenregie mit Betroffenen gedreht wurde, sprachen betroffene Personen selbst über ihre Situation. In dem Beitrag wird deutlich, dass viele Menschen durch die unterschiedlichsten Gründe in schwierige Situationen gekommen seien. Der ökonomische Druck zwinge viele Betroffenen zu Einrichtungen wie Beispielsweise "Die Tafel" um überhaupt das Nötigste zum Leben erhalten zu können. In der Arbeit mit den Betroffenen wird auch immer wieder klar, dass diese sich gut fühlten, als sie sich in einem Arbeitsverhältnis befanden. Neben dem finanziellen stand besonders das Gefühl gebraucht zu werden im Vordergrund, für seine Arbeit wertgeschätzt zu werden, Teil der Gesellschaft zu sein und für den eigenen Lebensstandart sorgen zu können.
In ihren Beiträgen betonten Manfred Klasen und Wolfgang Edlinger wie wichtig es sei, die Sichtweise der Betroffenen einzunehmen. Eine Sichtweise in gut oder böse sollte es aus Sicht der Sozialen Arbeit nicht geben. Wohltaten und Almosenwesen dürfe es in unserer modernen Gesellschaft keine geben. In der Armutsbekämpfung durch Beispielsweise Suppenküchen, Kleiderbörsen, Tafeln oder Wärmestuben sei unsere Gesellschaft in diese Weise wieder im Mittelalter angekommen, so der Tenor der beiden Referenten.
In den folgenden Diskussionsrunden wurde den Teilnehmenden klar, dass auf die Soziale Arbeit immer weitere Aufgabengebiete zukommen werden. Im Sinne der Inklusion müsse Soziale Arbeit versuchen zweigleisig zu fahren.
Auf der einen Seite müsse sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten Unterstützungsangebote für Betroffene anbieten und andererseits versuchen diese Menschen in Regelsysteme einzugliedern. Für Professionsangehörige der Sozialen Arbeit wird es somit immer schwieriger gemäß ihrer Haltung und Prinzipien arbeiten zu können, so der 1. Vorsitzende des Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. (DBSH), Michael Leinenbach. In seinen Ausführungen verwies er darauf, eine strikte Haltung in der täglichen Arbeit mit Menschen einzunehmen. Oftmals stünden Mitarbeiter_innen bei Entscheidungen in einem Konflikt zwischen einem Auftrag des jeweiligen Arbeitgebers und der fachlichen Ausrichtung Sozialer Arbeit. Weiterhin betonte er die Notwendigkeit, dass Professionsangehörige Sozialer Arbeit nicht den Auftrag haben über den Hilfesuchenden zu entscheiden, sondern diesen mit Hilfestellungen in die Lage zu versetzten, Herausforderungen selbst bewältigen zu können. Weiterhin warnte er sich nicht in die Gefahr der Überforderung durch den Auftraggeber einzulassen, welche durch nicht klar definierte Stellenbeschreibungen droht.
Die Lebenswirklichkeiten der Hilfsbedürftigen müsse weiter in die Öffentlichkeit getragen werden - weg vom Weg in die Exklusion hin zur Inklusion, so das Fazit aller Teilnehmenden der Fachveranstaltung.
Die Saarländische Armutskonferenz e.V. (SAK) ist seit September 1993 die Lobby-Vereinigung für arme Menschen im Saarland. Als gemeinnütziger Verein besteht die SAK seit 2002. Sie versteht sich als Anwalt der Betroffenen. Sie führt keine eigenen Projekte durch, da sie sich nicht in eine finanzielle Abhängigkeit begeben möchte.