Landesverband Saarland

Partnersuche über Kontaktanzeigen Homosexueller in den 1970er Jahren

29.10.2021

Von: Sven Mohr (DBSH) / "Vielfalt im Alter" (ViA)

Mitte Oktober lud die Senior*innen-Gruppe "Vielfalt im Alter" (ViA) aus Saarbrücken, im Rahmen ihres Veranstaltungsprogramm zu den frühen 1970er Jahren, zum Vortrag "Junger Mann 26/174 sucht netten älteren Herren ... Homosexuelle Beziehungen in Kontaktanzeigen der 1970er Jahre", ein. Im Versammlungsraum über dem Saarbrücker Kino 8 1/2 stellte Lenard Kramp, MA, Uni Trier, in seinem Vortrag an ausgewählten Beispielen dar, wie die früheren Kontaktanzeigen aufgebaut waren, ging auf verschiedene Rollenbilder und Beziehungskonzepte ein und verglich dies mit der heutigen Partnersuche.

Bilder: Sven Mohr

Sich mit der Geschichte auseinandersetzten ist wichtig, so Gert Körner. Er ist Ansprechpartner der Senior*innen-Gruppe "Vielfalt im Alter" (ViA). Besonders die 1970er Jahre seien als Beginn der Schwulen- und Lesbenbewegung für die ViA derzeit im Fokus der geschichtlichen Betrachtung. Die Auseinandersetzung des früheren, sei auch eine Wertschätzung der Biografien. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe zu den frühen 1970ern, referierte Lenard Kramp zur früheren Partnersuche über Kontaktanzeigen Homosexueller in dieser Zeit. In seiner Masterarbeit im Fach Geschichte, befasste sich Lenard Kramp mit Rollenbildern in homosexuellen Beziehungen in der Bundesrepublik Deutschland der 1970er Jahre. Dabei faszinierten ihn besonders die Kontaktanzeigen, da sich zu dieser Zeit die offene Partnersuche schwierig gestaltete. In den siebziger Jahren war das Leben der Lesben und Schwulen in der BRD und in der DDR wegen des Makels der Unsittlichkeit und der ablehnenden Haltung der Bevölkerung noch immer sehr schwierig. Man brauchte zwar in der BRD nicht mehr zu befürchten, dass die Polizei vor der Tür stehen könnte, wenn es unerwartet klingelte. Auch war es jetzt sehr viel einfacher, andere Lesben und Schwule zu treffen oder lesbische und schwule Zeitungen zu beziehen, aber ein offenes Zusammenleben als Paar war in der Regel nicht möglich. Ein Coming-out war noch immer existenzgefährdend (Quelle: Lesben- und Schwulenverband (LSVD) e.V.).

Bei seinen Recherchen griff Lenard Kramp auf das Archiv des "Centrum Schwule Geschichte e.V." (CSG) mit Sitz in Köln zurück. Das Hauptaugenmerk richtete er auf die Auswertung der von ihm untersuchten Kontaktanzeigen in einer der ersten Zeitschriften der Bundesrepublik für Homosexuelle der 1970er Jahre "Du & Ich". Laut eigenen Angaben sah sich der frühere Masterstudent um die 30.000 Kontaktanzeigen an - die Auswertung seiner Arbeit stützt sich auf ca. 150 Anzeigen. Während der Vorlesung ging Lenard Kramp unter anderem näher auf den Aufbau der früheren Kontaktanzeigen ein, welche neben der gewünschten Anonymität, auch einer Art Codierung unterstanden. So konnte man im groben erkennen, woher der_die Suchende kam, anhand der biometrischen Daten ermitteln ob man sich für Ihn_Sie interessierte, was gesucht wurde, wie sich die suchende Person selbst dargestellte und zum guten Schluss die Chiffre (geheimes Schriftzeichen) - die individuelle Kennzeichnung des Inserats zur Kontaktaufnahme. Aufgreifend des ausgewählten Vortragsmottos suchte ein 26jähriger Mann mit einer Körpergröße von 1,74 Meter einen netten, älteren Herrn. In den 1970er Jahren konnten sich diese Kontaktanzeigen eher die wohlhabenderen innerhalb der Gesellschaft leisten, was etwas das Bild der früheren Zeit im Bereich der Kontaktanzeigen verzerrt. Eine Anzeige im Jahr 1970 kostete bei "Du & Ich" mit bis zu 25 Worten 15 DM - neun Jahre später 25 DM. Die Ausgabe an sich kostete 1970 5 DM, 1979 8 DM. Im Vergleich dazu kostete das Magazin "Der Spiegel" 3 DM.

Im weiteren Verlauf des Vortrags ging Lenard Kramp auf die unterschiedlichen Geschlechterrollen in früherer Zeit, die Rollenbilder und Beziehungskonzepte der Männer begehrenden und liebenden Männer sowie die materiellen und immateriellen Aspekte der Beziehungsmodelle, ein. In der anschließenden Diskussionsrunde wurde der Vergleich der Kontaktanzeigen und Möglichkeiten von früherer, zu der heutigen Zeit gezogen. In einer offenen Runde sprachen einige der anwesenden Besucher über ihre Erinnerungen und Erlebnisse jener Zeit, in der man zumeist analog und anonym mit Kontaktanzeigen auf Partnersuche ging.

Diese Veranstaltung fand in Kooperation mit dem "Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit" (DBSH) Landesverband Saarland, Vertretung LSBTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche Menschen), statt.

Die Senior*innen-Gruppe "Vielfalt im Alter“ (ViA) trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat um 16.00 Uhr im Café Schrill, Förster Str. 22 im Nauwieser Viertel und jeden dritten Mittwoch im Monat im Kultur- und Werkhof Nauwieser 19, Nauwieser Str, 19, im Versammlungsraum über dem Kino 8 1/2 (Eingang seitlich links über die Eisentreppe in Richtung Café Kostbar) in Saarbrücken. Bis zum Jahresende finden, im Rahmen ihres Programms zu den frühen 1970er Jahren, weitere Veranstaltungen in Saarbrücken statt.

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