Aus der Sicht der Betroffenen sehen
29.10.2018
Mitte Oktober fand der 5. Berufskongress für Soziale Arbeit, auf dem Gelände des Evangelischen Johannesstift in Berlin Spandau, statt. Dazu eingeladen hatte der "Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit e.V." (DBSH) zusammen mit dem "Förderverein für Soziale Arbeit e.V." (FSA). Angeboten wurde ein vielfältiges Programm bestehend aus Vorträgen, Workshops, Symposien und weiteren Rahmenveranstaltungen. Das Motto des diesjährigen Berufskongresses lautete "Engagement aus Erkenntnis". Mit dem Workshop „Armut macht krank – Krankheit macht arm“, gingen Vertreter der "Saarländischen Armutskonferenz e.V."(SAK) näher auf dieses Thema ein und analysierten dazu die nötige Haltung Sozialer Arbeit.
Verschuldung, Armut und gesundheitliche Probleme liegen eng beieinander. Dies belegt auch der erste Armuts- und Reichtumsbericht, welcher im Jahr 2015 für das Saarland angefertigt wurde. Auf Seite 281 wird folgendes Zitat erwähnt, welches aufhorchen lässt: "Wenn du arm bist, musst du früher sterben". Was zunächst banal klingt, ist traurige Realität geworden.
Zum Anfang des Workshops wurde im Kinosaal des Johannesstift der Beitrag "Leben trotz Armut – ein Film aus Sicht der Betroffenen" gezeigt. Dieser Film wurde von der "Saarländischen Armutskonferenz e.V." (SAK) in Eigenregie mit Betroffenen gedreht. Dort sprachen betroffene Personen selbst über ihre Situation. In dem Beitrag wurde deutlich, dass viele Menschen aus unterschiedlichsten Gründen (z.B. Krankheit, Firmenschließlung etc) in schwierige Situationen kommen können.
Nach dem Videobeitrag stellten die beiden Vorstandsmitglieder der SAK, Wolfgang Edlinger, und Jürgen Thiele weitere Aktionen sowie die aktuelle Lage im Saarland vor. Wolfgang Edlinger ist Dipl. Pädagoge und Mitbegründer der Saarländischen Armutskonferenz. Seit 2011 ist er deren Vorsitzender. Auch im Ruhestand ist er bemüht, die Lebenswirklichkeit von Bedürftigen Jugendlichen und Erwachsenen in das Blickfeld der Öffentlichkeit und Politik zu rücken. Jürgen Thiele selbst lebte nach einer schweren Folgeerkrankung über 30 Jahre auf der Straße. Im offenen Dialog mit dem Publikum betonten sie, wie wichtig es sei, die Sichtweise der Betroffenen einzunehmen. Die Wirklichkeit müsse richtig wahrgenommen werden - genauso wie sie ist. Armut und Krankheit wird von einem Großteil der Gesellschaft hingenommen - zumeist in Prozentzahlen, welche nicht spürbar die Wirklichkeit darlegen können.
Besonders die Haltung Sozialer Arbeit spiele eine sehr hohe Bedeutung. Es sei es wichtig, aus der Sicht des Betroffenen zu sehen bzw. zu denken und daraufhin zu handeln. Es darf nicht über Menschen gesprochen werden - sondern mit ihnen. Menschen dürften nicht nach den eigenen Maßstäben bemessen oder "verurteilt" werden. Warum macht er/sie das? Um das zu verstehen ist es notwendig, die Hintergründe zu verstehen warum er/sie es macht. Es ist wichtig sich wieder zu verinnerlichen, die Würde eines jeden Menschen wert zu schätzen.
Oftmals stünden Mitarbeiter_innen der Sozialen Arbeit bei Entscheidungen in einem Konflikt zwischen einem Auftrag des jeweiligen Arbeitgebers und der fachlichen Ausrichtung Sozialer Arbeit. Wolfgang Edlinger betonte die Notwendigkeit, dass Professionsangehörige Sozialer Arbeit nicht den Auftrag haben über Hilfesuchende zu entscheiden, sondern diesen mit Hilfestellungen in die Lage zu versetzten, Herausforderungen selbst bewältigen zu können.
Die Saarländische Armutskonferenz e.V. (SAK) ist seit September 1993 die Lobby-Vereinigung für arme Menschen im Saarland. Als gemeinnütziger Verein besteht die SAK seit 2002. Sie versteht sich als Anwalt der Betroffenen. Sie führt keine eigenen Projekte durch, da sie sich nicht in eine finanzielle Abhängigkeit begeben möchte.